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Karstadt: das Ende vom Ende? 9. June 2010

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Eine von vielen: die Karstadt-Filiale in Hamburg-Wandsbek.

Gestern wurde bekannt, dass es für eine der großen Marken im deutschen Einzelhandel einen neuen Besitzer geben wird. Der Insolvenzverwalter von Karstadt teilt mit, dass er das, was von dem Warenhauskonzern noch übrig ist an den Sohn eines Kunstsammlers verkaufen will. Was dies bedeutet ist unklar. Klar ist, dass wir das Ende einer 130-jährigen Einkaufskultur erleben.

Als Rudolph Karstadt 1881 in Wismar sein ‚Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft Karstadt‘ gründete, machte er keine neue Erfindung – er ging einer Idee nach, die in der Luft lag. Im nahen Stralsund verfolgte die Familie Wertheim zur selben Zeit ein vergleichbares Konzept. Ähnlich machten es die Gebrüder Tietz 1882 in Gera oder 1885 Theodor Althoff in Dülmen. Die Idee ‚Warenhaus‘ entwickelte sich: einheitliche Festpreise, kleine Margen bei großen Stückzahlen, Vollsortimente und Filialsystem.

Warenhäuser waren im 20. Jahrhundert vor allem eins: zeitgemäß. Deshalb sind sie immer auch Indikatoren der wirtschaftlichen Entwicklung gewesen. In den 1960er Jahren galten sie als Inbegriff des ungezügelten Konsumkapitalismus,heute als Sinnbilder seines langsamen Niedergangs. So wie der digitalisierte Distanzhandel die großen Konsumtempel obsolet macht, brachten diese damals den Fach-Einzelhandel in Bedrängnis und dominierten die Innenstädte. Wer vor 1980 in Westdeutschland geboren ist, kam nicht um Karstadt, Kaufhof, Hertie oder Horten herum. Dass mit diesen Marken auch eine bestimmte Kaufkultur geht, ist bereits anekdotisch.

Die nachfolgende Konsumgeneration wird anders sozialisiert. Der Aktienbestand von Horten ist fast komplett an Kaufhof gegangen. Hertie wurde von Karstadt gekauft, dann an britische Investoren verhökert, ging in Insolvenz und verschwand 2008 vom Markt. Fast gleichzeitig wurde Karstadt infolge einer nicht ganz zu Ende gedachten Vermögenstransaktion zahlungsunfähig. Man wird sehen müssen was der neue Besitzer mit Karstadt anfangen kann. Wenn er nichts draus macht, bleibt am Ende die Marke Kaufhof übrig. Für Kaufhof wird seit 2008 erfolglos ein Käufer gesucht, hört man.

Fernwirkung 21. April 2010

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Die Gestaltung von verkaufsfördernden Werbemitteln ist für viele Designer ein Alptraum. Übertroffen wird die Furcht davor nur von Wettbewerben, in denen das Publikum aufgefordert wird, eigene Entwürfe einzusenden. Das ist die Höchststrafe für Markenentwickler: unbekümmerte Produktmanager stiften unberufene Hände zur Markenschändung an. Diese Ängste sind meistens berechtigt, aber nicht immer.

Vor kurzem hat der deutsche Ableger von Ferrero International S.A. Studenten aufgefordert, für seine ziemlich erfolgreiche Handelsmarke Nutella aus Anlass der Fussball-WM 2010 in Südafrika ein neues Etikett zu gestalten. Aus 1.000 Einsendungen wurden schließlich 44 ausgewählt, die übrigens noch bis 2. Mai 2010 im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main ausgestellt sind.

Ich hätte von der ganzen Sache nie gehört, und sie hätte mich einen Dreck geschert, wäre ich nicht neulich schon morgens um acht Uhr zum Discounter unterwegs gewesen. Denn dabei fiel mein Blick auf ein einzelnes Nutella-Glas. Das ist nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist, dass ich diese Packung sah, als ich noch auf dem Parkplatz des Discounters war, zehn Meter vorm Eingang und dass dieses einzelne Nutella-Glas ganz hinten im Markt in mindestens 30 Regal-Metern Entfernung stand. Eine Packung auf eine Distanz von etwa 40 Meter durch die geschlossene Glastür des Supermarktes hindurch zu sehen und sofort als das zu erkennen, was es ist, nämlich ein Nutella-Glas, spricht für die Qualität des Etiketts. Eine Fernwirkung, die vielleicht weniger Designer, auf alle Fälle aber Produktstrategen begeistern muss.

Natürlich habe ich mir das aus der Nähe angesehen. Das Glas stand einsam auf einer Euro-Palette, voll mit Eierkartons, die wohl eben angeliefert, aber noch nicht ausgepackt hatte. Irgendjemand muss es dort abgestellt haben. Kein normales Nutella-Glas, denn es war mit 1000g Inhalt größer als die handelsübliche Packung mit 200g. Eigentlich auffallend aber war das Etikett. Das gewohnte Logo war drauf, aber sonst nur drei Figuren in Scherenschnitt-Manier: eine Giraffe, einen geierähnlicher Vogel im Flug und einen Baum, den man vorsichtig als Schirmakazie deuten kann.

Der einfache, nur aus den Farben schwarz, weiß und rot zusammengesetzte Entwurf ist aus der Nähe betrachtet noch nicht einmal besonders ansprechend; unbalanciert, ohne visuellen Schwerpunkt, und ob die dargestellten Tiere bzw. der Baum für Südafrika typisch, oder dort wenigstens heimisch sind, sei dahingestellt. Aber die optische Wirkung ist phänomenal. Wie auf der Nutella-Website zu lesen ist, stammt der Entwurf von einer Amerikanistin (!) aus Mainz, belegte im Wettbewerb einen der ersten vier Plätze und kann bis zum Ende der Sommersaison im Einzelhandel erworben werden – vorausgesetzt man kauft 1 kg Nutella mit.